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Ich bin eine andere

  • Delna Antia-Tatić
  • 8. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Das Gehirn einer Frau verändert sich durch eine Schwangerschaft gravierend. Sogar langfristig. Das erklärt für femFATAL-Gründerin Delna, warum sie so uncool geworden ist. In ihrer Kolumne schreibt sie, warum ein Mutterhirn zwar schrumpft, aber nicht dümmer macht, sondern Gefühle besser liest. Und was es sonst noch drauf hat.


Kolumne von Delna Antia-Tatić


Ich bin eine andere. Nicht die, die ich war. Es gab ein Umbauprojekt in meinem Gehirn. Mutterschaft macht das. Ich finde, wir sollten das mehr besprechen. Denn lange habe ich an mir selbst gezweifelt. Was ist nur mit der alten Delna passiert, habe ich mich gefragt. Wie cool sie einst war. Und jetzt? Kramt sie nachts panisch Gnocchi-Verpackungen aus dem Mistkübel: Habe ich eh das Verfallsdatum gecheckt, bevor ich den Kindern das Abendessen vorgesetzt habe?  Doch nicht nur Vergiftungsalpträume sind das Problem.

 

Einst bin ich mit meinem Fiesta auf kroatische Inseln geflitzt, Fenster runter gekurbelt, Musik aufgedreht, Freiheit und so. Heute kriecht mir der Angstschweiß den Rücken hoch, wenn ich das Familienauto von Penzing nach Pressbaum zum Kindergeburtstag steuere. Früher las ich skandinavische Thriller vor dem Einschlafen, heute geht mir alles, was brutaler als „friends“ ist, Tage lang unter die Haut. Das betrifft auch die Nachrichtenlage. Wie oft scrolle ich durch Instagram und sitze auf einmal weinend in der U-Bahn. Die Welt ist nicht mehr da draußen, am Papier, im Handy oder rational in meinem Kopf. Die Welt rüttelt mich mittendrin. Voll Körperkontakt, Tränen stets auf Anschlag.



femFATAL-Gründerin Delna
Nicht mehr wie vorher: femFATAL-Gründerin Delna ©Zoe Opratko

 

Kleineres Hirn, effizientere Leistung!

Liegt am Gehirn, sagt die Neurowissenschaft, ganz normal. In Studien wurde erkannt, wie gravierend Mutterschaft das Gehirn verändert und sogar langfristig prägt. Die Veränderungen im Gehirn sind so deutlich, dass ein Computeralgorithmus treffsicher identifizieren kann, ob eine Frau in den letzten zwei Jahren schwanger war oder nicht. Aber auch im Alter von 60 Jahren zeigen Studien, dass sich das Gehirn von Frauen, die Kinder hatten, von kinderloser Frauen unterscheidet.

 

Der Gehirnumbau geht mit der Schwangerschaft los, angefeuert von einem Feuerwerk an Hormonen. Die graue Substanz schrumpft, um rund 20 Prozent, das Gehirn wird defacto kleiner. „Pregnancy-Brain“ ist also kein Mythos. Allerdings hat die Vergesslichkeit keinen Nutzen, sondern gilt als Kollateralschaden, so die Forschung. Das lege sich meist nach zwei Jahren wieder.


Das Eliminieren von Synapsen dient einer Verstärkung anderer Fähigkeiten – wie der Empathie. Ein kleineres Gehirn macht also nicht dümmer. Im Gegenteil, es wird effizienter und spezialisiert sich, so dass Mütter die Bedürfnisse ihres Kindes besser lesen und auf ihre Emotionen reagieren können. Außerdem verändert sich auch jenes Netzwerk im Gehirn, das für eine erhöhte Wachsamkeit für Bedrohungen sorgt.

 

Yep, all me. Ich bin wachsam wie eine Agentin, scanne meine Umgebung und lokalisiere die Feinde: Bordsteinkanten, U-Bahn-Schlitze oder Kaktusse als Tischdeko. Außerdem hören meine Muttersynapsen treffsicher, ob das Schnuckelchen in der Straßenbahn weint, weil ihm zu heiß ist oder weil Papa den falschen Keks angeboten hat.


Ein Mutterhirn für die Empathie!

Und was die Empathie betrifft, was soll ich sagen: Wie habe ich am Schultor mitgeschluchzt, weil die Viertklässlerin so traurig über ihren letzten Schultag vor den Sommerferien war. Ich kannte das Mädchen nicht einmal.  Egal. Man schicke nur eine Kleinkinder-Gruppe mit Rucksäcken und Murmeltierwangen an mir vorbei und schwapp, da fließen sie: die Rührungstränen.

 

Klingt anstrengend? Ist es. Andererseits, das Mutterhirn macht auch belastbarer. Was ich schaffe, aushalte, fürsorge, ohne Pause und ohne Schlaf, da kann die alte Delna einpacken. Denn das Gehirn verändert sich auch im Areal der Emotionssteuerung, sprich: Die eigenen Bedürfnisse können durch den Umbau besser runtergeregelt werden. In der Tat. Cool und naiv dachte ich noch vor dem ersten Kind, kein Baby der Welt würde je mein Ehebett zerteilen. Sieben Jahre später und zwei Kinder weiser, quetsche ich mich Nacht um Nacht genügsam an den äußersten Bettrand, mit kleinen Füßen in den Haaren und lausche dem Schnarchen meines Mannes im Kinderzimmer nebenan. Ja, es kommt anders als man denkt.

 

Vätergehirne mitbetroffen!

Das gilt auch für Männer. Elternschaft verändert nämlich auch das Vätergehirn. Allerdings nicht im selben Ausmaß, erklärt Psychologin und Neurowissenschaftlerin Erika Barba-Müller, die mit ihrem Team in Barcelona die neuronalen Veränderungen nachgewiesen hat.  Was bei Frauen durch Hormone mit der Schwangerschaft ausgelöst wird, kann bei allen nahestehenden Personen beobachtet werden, die viel mit dem Baby interagieren, die es tragen, kuscheln und sich binden. Eben nur in anderem Ausmaß.

 

Mich beruhigt das. Was hat mich meine Zerstreutheit selbst verunsichert – gepaart mit Übermüdung und Mentalload. Ich traute mich nicht nur vieles nicht mehr, sondern ich traute mir nicht mehr. Doch erstens werden die Kinder älter, mein Gehirn „entspannt“ wieder.


Außerdem: Was ist schon cool? Ich liebe kleine Füße in den Haaren.



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