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Helden gehen zugrunde

  • Ivana Cucujkić-Panić
  • 26. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Jedes Jahr peitscht Ivana "ihre" Männer zur Vorsorgeuntersuchung - auch heuer. Für das Pickerl beim Auto fühlen sich Papa und Ehemann verantwortlich, für ihre Gesundheit nicht. Keine Ausnahme: Männer sind Gesundheitsmuffel und unterliegen einem fatalen Heldenbild. Doch was hilft dagegen? Ein Männer-Experte weiß Rat.


Kolumne von Ivana Cucujkić-Panić


Die Überweisungen stapeln sich auf meinem Küchentisch: Lungenröntgen, Nieren-Check, Abdomensono alias Bauchultraschall sowie Gastro- und Koloskopie. Aber keinen dieser Termine werde ich selbst wahrnehmen. Sie sind für meinen Vater und meinen Mann. Ja, ich peitsche meine Männer zur Vorsorgeuntersuchung. Das mache ich jedes Jahr. Manchmal gehen sie sogar hin – wenn ich mitkomme. Kein Entkommen, quasi. Und wie immer die gleiche Leier: "Keine Zeit", "Passt grad nicht", "Ach, da ist doch nichts!" Männer und die Vorsorge. Eine komplizierte Beziehung.


Meine beiden Vorsorgeverweigerer sind mehr die Regel als die Ausnahme: Nur knappe 13 Prozent der Männer in Österreich nahmen 2022 eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. Das zeigt das ÖGK Gesundheitsbarometer: Männer gehen seltener zum Arzt als Frauen, sind aber häufiger krank. Doch gerade bei Krebs ist eine Früherkennung entscheidend. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern und früherkannt gut behandelbar. Doch die Vorsorgeuntersuchung – immer noch ein großes Tabuthema. 


femFATAL-Kolumnistin Ivana Cucujkić-Panić
Kolumnistin Ivana Cucujkić-Panić / © Zoe Opratko

Ein "starkes" Männlichkeitsbild

Männer regeln ihre Dinge gerne selbst. "Es herrscht immer noch ein althergebrachtes Männlichkeitsbild: Der Mann muss immer der Starke sein und alles mit sich selber ausmachen. Sowieso kann und schafft er alles", weiß Experte Alexander Greiner. Er ist Journalist, Autor und Host des erfolgreichen Podcasts "Männerkrebs – Was tut Mann mit Krebs". Dazu kommt, so Greiner: Männer warten auf Symptome – was bei Krankheiten wie Prostatakrebs fatal ist. Denn der wächst meist langsam und unbemerkt. Wenn Beschwerden auftreten, ist der Krebs oft schon fortgeschritten. Dann ist er zwar noch behandelbar, aber eher selten heilbar.

 

Aber warum sind Männer so Vorsorge-faul? Eine Umfrage der Prostatahilfe Deutschland nennt dafür drei Hauptgründe: Zum einen sind da die Berührungsängste bei der Untersuchung. Allein die Vorstellung schreckt viele Männer ab – mehr als das Risiko einer späten Diagnose. Dazu kommt die Angst der Männer vor der Diagnose: Diesem Moment, in dem aus einem "starken Mann" ein Patient wird. Und gerade Prostatakrebs trifft nicht nur das Leben, sondern auch die Männlichkeit. Und drittens ist es die Einstellung: "Ich habe doch nichts." Keine Beschwerden, kein Grund zur Sorge? Ein gefährlicher Irrtum.


Das Pickerl für den Mann

"Natürlich gibt es auch Männer, die selbstständig zur Vorsorge gehen", weiß Greiner. "Aber die Verantwortung dafür wird ihnen dann auch schon mal abgenommen. Wenn meine Frau mich jedes Jahr an den Termin erinnert, warum sollte ich dann selbst dran denken?" Und genau hier liegt der Knackpunkt. Beim Auto-Service klappt es doch. Der "Pickerl"-Termin wird in meiner Familie seit jeher von Papa und Ehemann organisiert. Wochen im Voraus. Gewissenhaft und verlässlich. Der Motor soll laufen. Der eigene Körper? Wartungsstau. Und der Schaden ist hier oft schwerwiegender.


Doch an den jährliche "Boxenstopp" beim Arzt für ihn denkt meist sie: die Partnerin, die Ehefrau, die Tochter. Allergietests und Impftermine der Kinder? Auch auf der weiblichen To-do-Liste, Mental-Load next level. Der weibliche Kopf ist voll, während der männliche Körper auf Reserve läuft. Männergesundheitsexperte Greiner plädiert für Gesundheitskompetenz schon bei den Kleinsten: "Hier müsste man viel früher ansetzen. Bei den Buben. Bei den jugendlichen Männern. Jungen zur Selbstwirksamkeit erziehen, ihnen ein besseres Gesundheitsbewusstsein angedeihen lassen." Damit sie später nicht aus Angst oder Scham schweigen. Sondern stark genug sind, um sich um ihre Gesundheit selber zu kümmern – und um ihre Überweisungen.

 

Apropos, die Überweisungen auf meinem Küchentisch haben sich die beiden immer noch nicht abgeholt. Kümmert mich aber nicht mehr (ab sofort). Ich setze bei den Kleinsten an und bringe meinen vier- und sieben Jahre alten Buben bei, auf ihre Gesundheit zu achten. Bereits jetzt und vor allem später. Weil echte Männer zur Vorsorge gehen. Und nicht zugrunde.


Das Schweigen der Männer

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Mann-sein und Krank-sein? Das passt so gar nicht ins Selbstbild, wie Alexander Greiner weiß. „Männer gelten als Helden, die keinen Schmerz kennen. Wagemutig, unsterblich.“ Aber ist das noch zeitgemäß? "Mutig ist, Krankheit und Gesundheit bewusst ins Leben zu integrieren,“ erklärt der Experte auch auf seiner Website. Alexander hat sich zum Credo gemacht, das Schweigen der Männer zu brechen. 

Alexander Greiner
Alexander Greiner / © Franzi Kreis

2019 erschien sein Mutmach-Buch "Als ich dem Tod in die Eier trat". Ein ungeschönter Bericht über seine eigene Diagnose Hodenkrebs, und wir er damit umging. Mit Podcasts wie "Herrenzimmer" und "Männerkrebs – Was tut Mann mit Krebs?"ermutigt er seine Geschlechtsgenossen, über Erkrankungen zu reden und sich in seiner Verletzlichkeit zu zeigen. Echt heldenhaft, Alexander!


Quellen:

ÖGK Gesundheitsbarometer zum Thema Männergesundheit / Prostatakrebsfrüherkennung – Drei Gründe, warum Männer nicht hingehen / Prostatakarzinom: Warum gehen viele Männer nicht zur Vorsorge?


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